Börsengang von Circle: Warum Stablecoins jetzt im Rampenlicht stehen

Stablecoins gelten als wertstabil und kalkulierbar. (Foto: Golden Dayz/Shutterstock)
Circle hat am Donnerstag einen fulminanten Börsenstart hingelegt: Die Aktie des US-Stablecoin-Anbieters sprang am ersten Handelstag von 31 auf 87,27 Dollar – ein Plus von 180 Prozent. Wegen der hohen Volatilität wurde der Handel kurz nach Börsenbeginn sogar zeitweise ausgesetzt.
Kurz vor dem Börsengang hatte Circle das Angebot wegen starker Nachfrage, auch von institutionellen Investoren wie Blackrock und Ark Invest, aufgestockt. Statt der ursprünglich geplanten 24 Millionen Aktien zu einem Preis von 24 bis 26 Dollar pro Stück wurden schließlich 34 Millionen Aktien zu 31 Dollar ausgegeben. Der Börsengang spülte 1,1 Milliarden Dollar in die Kasse – fast doppelt so viel, wie erhofft.
Circle ist der Herausgeber des USD Coin (USDC) und nach Tether der zweitgrößte Anbieter eines Dollar-Stablecoins. Laut Unternehmensangaben sind derzeit 61 Milliarden USDC im Umlauf.
Was sind Stablecoins?
Stablecoins sind digitale Währungen, deren Wert an stabile Vermögenswerte wie den US-Dollar oder den Euro gekoppelt ist. Das Versprechen an den Nutzer: Es soll jederzeit möglich sein, den Stablecoin wieder gegen echte Dollar einzutauschen.
Damit schlagen Stablecoins eine Brücke zwischen Kryptowährungen und dem traditionellen Finanzsystem. Ihr Vorteil: Sie ermöglichen günstige Transaktionen wie andere Kryptowährungen, bieten aber die Stabilität klassischer Währungen.
Nutzer:innen schätzen Stablecoins, um Gewinne aus Krypto-Trades zwischenzuparken, ohne sie in Fiat-Geld umwandeln zu müssen. Auch Unternehmen und Banken setzen zunehmend auf Stablecoins, da internationale Überweisungen mit ihnen schneller und günstiger werden.
Das Geschäftsmodell von Anbietern wie Circle besteht darin, die Einlagen ihrer Nutzer:innen in kurzlaufende US-Staatsanleihen oder andere liquide Anlagen zu investieren, die derzeit rund fünf Prozent Rendite abwerfen. Diese Zinsen behalten die Anbieter ein. Zusätzliche Einnahmen generieren sie durch Dienstleistungen wie API für Zahlungsabwicklungen, Partnerschaften mit Fintechs und Banken sowie Gebühren für den Umtausch in Fiat-Währungen. Das Geschäft ist lukrativ: Circle erzielte 2024 einen Nettogewinn von 156 Millionen Dollar.
Der Markt wächst
Der spektakuläre IPO von Circle zeigt, wie groß die Hoffnungswerte im Stablecoin-Markt gerade sind. Im Mai 2025 erreichte der Sektor eine Marktkapitalisierung von über 240 Milliarden Dollar. Analysten erwarten bis 2030 sogar ein Wachstum auf bis zu 3,7 Billionen Dollar.
In den USA genießt die Branche von der Krypto-freundlichen Politik von Präsident Donald Trump Vorteile. Der profitiert nicht nur privat von diversen Projekten im Krypto-Sektor, wie etwa seinem eigenem Memecoin, sondern favorisiert auch klar die von privaten Unternehmen herausgegebenen Stablecoins gegenüber digitalem Zentralbankgeld (Central Bank Digital Currency, CBDC), wie sie etwa von der Europäischen Union mit dem digitalen Euro vorangetrieben werden.
Per Exekutivanordnung untersagte Trump bereits die Entwicklung von CBDCs und treibt stattdessen ein Gesetz zur Regulierung von Stablecoins voran. Der GENIUS Act legt etwa fest, wer Stablecoins ausgeben darf und dass sie stets 1:1 mit Reserven gedeckt sein müssen. Anbieter müssen sich in den USA registrieren und unabhängigen Prüfungen unterziehen.
Damit sollen auch die bisherigen Nachteile von Stablecoins eingefangen werden: Während klassische Banken strengen Regeln unterliegen, entziehen sich viele Stablecoin-Projekte dieser Kontrolle, was ein potenzielles Einfallstor für Geldwäsche und Finanzmanipulation sein kann. Auch mit der Transparenz haben es einige Emittenten – allen voran Tether mit seinem Stablecoin USDT – in der Vergangenheit nicht so genau genommen und etwa unabhängige Prüfungen verweigert. Zudem sind Stablecoins abhängig vom Vertrauen der Nutzer – schwindet das, kann es zu massenhaften Rückzügen und einem Dominoeffekt im Kryptomarkt kommen – vergleichbar mit einem klassischen Bank-Run.
Die geplanten US-Regeln ähneln der EU-Verordnung MiCA (Markets in Crypto-Assets Regulation), die seit Mitte 2024 gilt. MiCA schreibt ebenfalls vollständige Deckung und Transparenz für Stablecoin-Emittenten vor.
Gefahr für Europa?
Für Europa könnte die aktuelle Dominanz der US-Stablecoins von Tether und Circle noch zum Problem werden: Denn sie decken derzeit 92 Prozent des globalen Marktes ab und könnten den Euro in digitalen Ökosystemen verdrängen, warnt eine Studie der Digital Euro Association. Die Vormachtstellung der US-Stablecoins untergrabe nicht nur die geldpolitische Kontrolle der EZB, sondern fördere eine weltweite „digitale Dollarisierung“ – selbst in stabilen Volkswirtschaften wie der EU.
Die Studienautoren sehen Europa in einem Dilemma: Während die USA Stablecoins gezielt als geopolitisches Instrument nutzen, verharrt Europa in einem defensiven Regulierungsmodus und droht an Bedeutung zu verlieren. MiCA sei einerseits zu restriktiv für europäische Anbieter, andererseits ignoriere die Verordnung technologische Abhängigkeiten von US-Plattformen wie Ethereum oder Cloud-Diensten. „MiCA verursacht hohe Compliance-Kosten für EU-Emittenten, während ausländische Stablecoins über DeFi-Plattformen die Regeln umgehen können“, heißt es in der Analyse.
Zudem blockiere die Fixierung auf den digitalen Euro als staatliche Alternative private Innovationen. Zwar gibt es europäische Projekte wie den EURCV der Société Générale oder den EURI von Banking Circle. Auch Großbanken wie ING oder BBVA haben Stablecoin-Projekte angekündigt. Doch Euro-Stablecoins machen derzeit nur einen kleinen Teil des Marktes aus.
Die Autoren fordern daher gezielte Förderung europäischer Stablecoin-Projekte und Investitionen in eigene Infrastrukturen („EuroStack“), um die technologische Souveränität Europas zu sichern.
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